altmarkgeschichte

Datenbank Historischer Grabmäler der Altmark





Peter Schönäcker

Salzburger Emigrant

Sterbedatum:
22.09.1732
Konfession:
evangelisch
Ort:
Wegenstedt, Bördekreis
Standort:
Scheune/Pfarrhof
GPS:
11.199209 - 52.386776

Beschreibung
Zustand
:
Die Original-Grabplatte aus Sandstein ist restauriert worden. Die ebenfalls aus Sandstein gefertigte Kopie befindet sich in einem tadellosen Zustand.

Dekor:
Umrandungslinie und Schrift sind gekerbt.

Vorderseite:
WANDERSMANN
SIEHE HIR EINEN WANDERER
IN DER RUHE
PETER SCHÖNÄCKER
DESSEN SEELE UNTER VIEL TAUSEND
EMIGRANTEN AUS SALTZBURG,
DIE ZUR RUHE NACH PREUSSENEILTEN,
ALS SIE DIE KINDER EDOM AUS IHREN
VATERLANDE VERDRENGETEN,
SEINEN WANDERSSTAB AUCH MIT ERGRIFFEN,
UND EHE ER ZUR RUHE KAM
DEN 22ten Septembris 1732 IM 92ten IAHR SEINES ALTERS
HIESEBBST RUHIG NIEDER GELEGT
WELCHEN ZU EHREN
DIE HOCHWOHLGEBORENE HERREN VON SCHENCKEN
DIESES DENCKMAHL GESTIFFTET.

WANDERER!
WIR SIND ALLE EMIGRANTEN,
GOTTES PILGRIM UND BÜRGER,
EILE UND ERRETTE DEINE SEELE.
LEICH = TEXT. 1 B . MOH: XII. V. I.

Rückseite:
MEIN LESER STEHE STIL! HIR LIEGT EIN EMIGRANTE,
DER SICH ZU IESU LEHR UND NICHT ZUM PAPST BEKANTE,
DES BABELS ROTTE TRIEB IHN AUS DEN VATERLAND,
DER LEIB RUHT NUN ALHIR IN DIE SEEL IN GOTTES HAND.
GEH, HIN, UND DENCKE STETS, WIE DU WILT HIE VERLASSEN
DIE WELT, LEIB, GUTH UND BLUT, DES HIMMELSREICH ZU FASSEN,
SO WIRSTU ARM, DOCH REICH BEY JACOBS STABE GEHN,
UND EINSTEN UNVERRÜCKT VOR GOTT ERFREUET STEHEN.

Anmerkung:
Im Kirchenbuch von Wegenstedt wurde 1732 dokumentiert: „NB. den 21ten 7br kamen 600 biß 700 Emigranten hier und zu Flechting an. Wurden hier zur Helfte vor der Hagen an der Spatze(?) mit einem Sermon aus der 1. Petr. 11. ψ. 13, 14. empfangen. Mitt geläute und Schulen Herren gesungen. In hiesigem Dorff in Eting und Grauing vertheilet bewirthet, dar von ich 20 Personen tractirete. D. 22ten früh wurden sie in der Kirchen alhier erbauet aus Exodes XIX: ψ. 3 – 8. u. eingeseegnet, mit Wiepe(?), p Calförde wo selbst von Böddensell Flechting und Bülstring die übrigen zu stoßeten daß 1100 zusamen waren gefahren biß Gardelegen. Die hiesigen wurden ungeläute durch Amtmann Schröther, u. auch biß Calvörde begleidet u. die Flechtingischen, durch Hl. Landrath v. Jagow: Hl. Joachim Ernst v. Schencken in Flechting, Herren Am̅tsverwalther Hagemann u. Hrn Adam Julius Him̅el Verwalther in Böddensel, Hl. Trippe Verwalther in Dönstädt Ein Emigrante Petrus Schönäcker Stürbe in des Zöllner Triplers hause, d. 22ten früh. Er war aus dem Saltzburgischen Amte Goldingen aet: 92ste Jahr. Verließ an seine Freunde 200 fl. wurde d. 23ten 7br mit einen Sermon Gen XII f. 1, und gesang unter Folgung der Gemeinde beerdiget u. zwar gratis.“
Pastor Willing in Flechtingen schreibt um 1900 dazu: „Fern im Süden war seitens des Katholizismus eine fanatische Feindschaft gegen das Evangelium und seine Bekenner hervorgetreten. Der Erzbischof Leopold Anton Eleutherius Firmian hatte den 20000 protestantischen Untertanen der Erzstiftes Salzburg in trunkenem Mute geschworen, „er wolle die Ketzer aus dem Lande haben, und sollten auch Dornen und Disteln auf den Äckern wachsen. (…) Am 5. August 1731 hatten etwa 300 Männer als Vertreter der Gesamtheit sich im Marktflecken Schwarzach versammelt. Um einen runden Tisch, auf den ein Salzfaß gestellt war, saßen die Ältesten der Gemeinden, einen weiteren Kreis um sie her bildeten die Übrigen. Einer von jenen forderte nun feierlich auf zur Schließung eines Bundes der Treue im evangelischen Glauben auf Leben und Tod. Da traten sie alle Mann für Mann herzu, den Schwurfinger in das Salz tauchend, führten es zum Munde und schwuren mit zum Himmel erhobener Rechten, bis in den Tod am evangelischen Glauben festzuhalten. Und solches taten sie mit Beziehung auf 2. Chron. 13, 5 wo Jehova mit David und seinen Söhnen einen „Salzbund“ schloss, d. h. einen unauflöslichen Bund. Darauf knieten sie nieder zum Gebet und befahlen die Sache ihres Glaubensbundes dem Herrn. Nach den härtesten Proben kam endlich der Tag des zwangsweisen Auszuges, an welchem sie mit Verlust fast aller ihrer Habe ihr Vaterland verließen. Aber wohin? Von allen evangelischen Fürsten hatte sich allein König Friedrich Wilhelm I. von Preußen der Verfolgten tatkräftig und treulich angenommen. Etwa 16000 evangelischen Salzburgern ließ er in den durch die Pest (1711) entvölkerten und verödeten Landstrichen Litauens in Ostpreußen Wohnsitze und Ländereien anweisen, während die übrigen 4000 in anderen preußischen Provinzen blieben. Jene 16000 Salzburger Emigranten wanderten nun in 24 verschiedenen Zügen ihrer neuen Heimat entgegen. Überall, wo sie auf ihrer Wanderung erschienen, wurden sie unter erhebenden Feierlichkeiten aufgenommen. Bei ihrem Empfang wurden im Freien oder in den Kirchen Gottesdienste veranstaltet. Mit großer Opferwilligkeit wurden sie bewirtet und mit allem Notwendigen reichlich versorgt. Man mußte sie auch hoch achten wegen ihres freudigen Glaubens und christlichen Sinnes, den sie unter allen Wechselfällen ihres bewegten Lebensganges an den Tag legten. Sie murrten nicht über ihr Schicksal, von ihren Feinden und Verfolgern redeten sie nichts Übles, sondern ehrten voll heiliger Einfalt die Wege der göttlichen Vorsehung. Der Durchzug der treuherzigen, kindlich frommen Leute war für das evangelische Deutschland selbst eine Glaubensstärkung. Im allgemeinen hielten sie auf ihrer Wanderung von etwa 200 Meilen, die sie zurückzulegen hatten, die Richtung inne von Regensburg über Meiningen, Eisenach, Langensalza, Nordhausen, Halberstadt, Magdeburg nach Berlin und dann weiter bis zu ihrem Ziele. Natürlich konnten schon wegen der Verpflegung nicht alle Züge genau den selben Weg einschlagen. So kam es denn, daß am 21. September 1732 ein Zug von 1100 Köpfen von Remkersleben und Rottmersleben über Neuhaldensleben in unseren Dörfern anlangte. Von diesen 1100 Emigranten verteilten sich 400 auf die Dörfer Bülstringen, Flechtingen und Böddensell, und 700 auf die Dörfer Grauingen, Wegenstedt und Etingen. Der Sohn des Pastors Büchner berichtete noch im Jahre 1818, daß ältere Leute in Flechtingen beachtenswerte Szenen berichtet hätten. Auf dem hiesigen Kakberge, dem jetzigen Lindenplatz, vor der Kirche, sollen sie sich versammelt und das Schutz- und Trutzlied der evangelischen Kirche „Ein feste Burg ist unser Gott“ gesungen haben. (…) Bei ihrem Aufbruch über Calvörde nach Gardelegen wurden die Emigranten von den Dorfbewohnern auf eine weite Strecke geleitet, so von dem Gutsherrn Joachim Ernst v. Schenck auf Flechtingen, von dem Ortspfarrer Eding, von dem Amtsverwalter Hagemann, von dem Verwalter Adam Julius Himmel aus Böddensell und vielen anderen. Als sich die verschiedenen Gruppen aus unseren Dörfern wieder vereinigten, fehlte jedoch einer unter ihnen, Petrus Schönäcker aus dem Amt Goldingen in Salzburg gebürtig, der als ein 92jähriger Greis zu Wegenstedt in des dortigen Zöllners Triplers Hause am 22. September 1732, von seiner Lebenswanderung müde entschlafen ist. Am 23. September wurden seine irdischen Überreste bestattet. Der Pastor Reinecke in Wegenstedt hielt ihm die Grabrede über 1. Moses 12, 1: „Der Herr sprach zu Abraham: Gehe aus deinem Vaterlande und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.“ Und die Edlen Herren v. Schenck auf Flechtingen und Böddensell, die den lebenden Salzburgern so viel Barmherzigkeit erwiesen hatten, wollten auch dem abgeschiedenen Emigranten die möglichste Ehre erweisen und zugleich die segensreiche Erinnerung an die Salzburger in den Gemeinden wach halten. Zu diesem Zwecke errichteten sie dem ehrwürdigen Greise zwei Jahre später (1734) ein Grabmal mit folgender Inschrift (…). Das Denkmal war von der Wegenstedter Kirchengemeinde verkauft und nach Calvörde gebracht worden, um dort als Steintritt zu dienen Es ist im Jahre 1904 wieder zurück gekauft und auf dem Wegenstedter Kirchhof an der Südseite der Kirche aufgerichtet. (vgl. „Auf steinigem Grund Flechtinger Chronik des Pastor Willing“, herausgegeben von der Kirchengemeinde Flechtingen, S. 79ff.)“
Neben der Grabplattenkopie wurde im Jahre 2000 auch eine Informationstafel zur Person und dessen Fluchtumständen an der Kirchenwand angebracht.

Lage:
Der Originalgrabstein befindet sich heute in der Samuel-Walther-Geschichtswerkstatt, die auf dem ehemaligen Pfarrhof westlich der Kirche (südlicher Raum im östlichen, ehemaligen Wirtschaftsgebäude) untergebracht ist.
Die Kopie der Grabplatte, deren Vorderseite nach Westen weist, ist auf einem kleinen Sandsteinpodest freistehend auf der Südseite der Kirche aufgestellt worden.

Text und Foto:
Frank Moldenhauer, Magdeburg 2017