altmarkgeschichte

Datenbank Historischer Grabmäler der Altmark





Werner Schenk von Flechtingen

Erb- und Gerichtsherr auf Flechtingen

Sterbedatum:
04.03.1597
Konfession:
evangelisch
Ort:
Flechtingen
Standort:
Kirche
GPS:
11.142038 - 52.195482

Beschreibung:
Im Ganzen gut erhaltene Grabplatte, Sandstein, an der Ostwand des Kirchenraumes links hinter dem Altar wohl bereits im Zuge einer tiefgreifenden, einem Neubau gleichkommenden Umgestaltung der Kirche 1722-1727 aufgestellt und in der Wand verklammert. Der Verstorbene steht in einer aufwendig architektonisch gestalteten Nische, deren Rundbogen durch kräftige Kämpfergesimse mit Beschlagwerkdekor getragen wird, welche ihrerseits auf reichverzierten Renaissancesäulen ruhen. Die schlichten Postamente der Säulen bieten Raum für die unteren beiden Ahnenwappen, deren obere Pendants die jeweils linke und rechte Seite eines Bogenzwickels ausfüllen. Der barhäuptig in voller Rüstung dargestellte Werner Schenk eigentlich in Frontalansicht in leichter Schreitbewegung wiedergegeben; der offene Visierhelm mit Federbusch zu seinen Füßen. Der Oberkörper der Figur mit dem in Treibarbeit üppig dekorierten Brustpanzer und modischem "Gänsebauch" ist in seinen Proportionen völlig misslungen; es war dem Bildhauer offenbar nicht möglich, nötige perspektivische Verkürzungen sinnvoll ins Hochrelief umzusetzen, weswegen auch der viel zu hohe Ansatz der Arme anatomisch fragwürdig erscheint. Die Ausführung des Gesichts in seiner modischen Barttracht des späten 16. Jahrhunderts scheint dagegen um Individualität bemüht.
Vier Ahnenwappen als sorgfältig gearbeitete Vollwappen im Stil der norddeutschen Renaissance. Väterlicherseits (heraldisch rechts) oben: Schenk (die beiden Wappentiere aus courtoisie gegenüber dem Wappen der mütterlichen Seite in abweichender Laufrichtung); unten: Wenckstern. Mütterlicherseits (heraldisch links) oben: Bülow; unten: Marenholtz. Unterhalb der Nische mit der Figur des Verstorbenen in querrechteckiger Kartusche mit Rahmen im Stil der Renaissance die erhaben ausgehauene Grabinschrift in deutlicher Kapitalis: "IM JAHR NACH IHESV CHRISTI GEBVRT MDXCVII DEN IX MARTIJ IST DER EDLE GESTRENGE VND EHRENVESTE I. WERNER SCHENCKE KERSTENS S. SOHN IN GOTT SELIGLICH ENTSCHLAFFEN IM XXXVII JAHR SEINES ALTERS. GOTT VERLEIHE IHM EINE FROLIGE AVFFERSTEHVNG 99". Die "99" am Ende der Inschrift vielleicht als Hinweis auf das Entstehungsjahr der Grabplatte zu deuten.

Werner Schenk war der älteste Sohn des Kersten d.Ä. Schenk von Flechtingen und der Catharina v. Bülow a.d.H. Gartow-Oebisfelde. Er heiratete zunächst Margareta v. Bartensleben a.d.H. Wolfsburg, die bereits 1587 verstarb, sowie in zweiter Ehe Sabina v. Bredow a.d.H. Rheinsberg, die den Gatten lange überlebte und erst 1632 nach ihrer Übersiedlung nach Altenhausen das Zeitliche segnete.
Als Ältestem, der noch um 1585 die Verwaltung der ungeteilten Güter auch für die jüngeren Brüder innehatte (LASA, H 95, Nr. 3378), war Werner im Zuge einer späteren, vor 1596 vollzogenen Teilung der Hauptsitz Flechtingen zugefallen. Im Dezember 1589 legten alle drei Brüder Schenk hinsichtlich der u.a. beim Erzstift Magdeburg lehnrührigen Familiengüter ihren Vasalleneid ab (LASA, Cop. 49, fol. 614 ad 1589); die 1593 vollzogene Eheberedung der Schwester Leveke wurde nur noch von Werner und Kersten Schenk unterzeichnet, während der mittlere Bruder Christoph Schenk dabei bereits fehlte (LASA, E 76, Nr. 159). Werner Schenk entfaltete während der frühen 1590er Jahre, möglicherweise angeregt durch die ihm verschwägerten Bartensleben auf Wolfsburg, eine rege Bautätigkeit an Schloss und Kirche Flechtingen.
Nach seinem frühem Tod 1597 fiel Flechtingen an seinen einzigen überlebenden, damals noch unmündigen Sohn Jacob, der seinerseits schon 1610 in Paris verstarb, nachdem sein Onkel Kersten d.J. auf Dönstedt auch im Namen des Neffen noch 1609 seinen Eid als Lehnsmann des Erzstifts Magdeburg abgelegt hatte (LASA, Cop. 51 b, fol. 34v ad 1609). Nunmehr ging Flechtingen an Werners jüngsten Bruder Kersten d.J. (1571-1621) auf Dönstedt und Domersleben über, der die alte Hauptlinie der Schenken auf Flechtingen fortsetzen und 1606 die mansfeldische Pfandschaft Leimbach hinzuerwerben konnte (LASA, H 144, Nr. 40).

Literaturquellen:
Zu Person und Objekt: Ev. Kirchengemeinde Flechtingen (Hrg.), Auf steinigem Grund - Flechtinger Chronik des Pastor Willing, Haldensleben 2011, S. 40-46 (mit nicht ganz fehlerfreier Wiedergabe der Inschrift); Irene Heinecke/Heimo Reinitzer, Flechtingen - Seine evangelische Kirche und ihre Ausstattung, Altenburg 2015, S. 72-73 mit guter Abbildung, jedoch Lesefehlern und sinnlosen Unterstreichungen in der Inschrift sowie Schwächen in der Beschreibung, die den Dargestellten in naiver Bildinterpretation als "Ritter" anspricht und den offenen Visierhelm für eine "Sturmhaube" hält.
Zum Objekt: Adolf Matthias Hildebrandt, Die Grabsteine und Epitaphien adeliger Personen in und bei den Kirchen der Altmark [...], Gardelegen 1868, S. 80; Dehio, Handbuch der dt. Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt I, bearb. von Ute Bednarz und Folkhard Cremer, München-Berlin 2002, S. 219 (summarisch).

Text:
Dr. Bernd-Wilhelm Linnemeier, Münster 2017

Foto:
Helge Hildebrand, August 2010